
Weiterbildungsmaßnahmen lassen sich zeitlich oft nicht mit einem festen Arbeitsverhältnis in Einklang bringen. Im österreichischen Arbeitsrecht wurde deshalb das Instrument der Bildungskarenz geschaffen. Sie soll Arbeitnehmern die Chance auf den beruflichen Aufstieg geben oder eine bestehende Qualifikation für den langfristigen Erhalt des Arbeitsplatzes sichern.

Die Bildungskarenz stellt eine wichtige Möglichkeit zur Weiterbildung für viele Arbeitnehmer dar.(c)Bigstockphoto.com/133986218/YakobchukOlena
So unterscheiden sich Bildungskarenz und Bildungsteilzeit
Unter der Bildungskarenz versteht man die Freistellung eines Arbeitnehmers von seiner Arbeit, wenn dafür im Gegenzug eine Weiterbildungsmaßnahme belegt wird. Während dieser Phase wird kein Arbeitsentgelt gezahlt, der Arbeitnehmer erbringt dafür auch keine Arbeitsleistung. Vereinbart wird die Bildungskarenz zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Bildungskarenz durch den Arbeitgeber ist nicht gegeben. Wer eine Bildungskarenz beantragen will, muss genau vorgegebene Voraussetzungen erfüllen. Eine Bildungskarenz kann innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren für maximal 12 Monate beantragt werden. Wenn der gesamte Zeitrahmen von 12 Monaten innerhalb eines Jahres genommen wird, besteht für die folgenden drei Jahre kein Anspruch auf Bildungskarenz mehr. Eine Aufteilung auf einzelne Weiterbildungsphasen mit einer Dauer von mindestens zwei Monaten ist möglich.
Von der Bildungskarenz zu unterscheiden ist die Bildungsteilzeit. Wer Bildungsteilzeit nehmen möchte, muss bei seinem Dienstgeber mindestens sechs Monate lang mit einer gleichbleibenden normalen Arbeitszeit beschäftigt sein. Außerdem muss bereits ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld bestehen. Ist das der Fall, darf im Rahmen der Bildungsteilzeit eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit um mindestens 25 Prozent und höchstens 50 Prozent mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden. In dieser Zeit darf die vereinbarte Arbeitszeit pro Woche zehn Stunden nicht unterschreiten. Das gezahlte Entgelt muss oberhalb der geltenden Geringfügigkeitsgrenze liegen. Für jeden Betrieb kann nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern gleichzeitig in Bildungsteilzeit gehen und Bildungsteilzeitgeld beantragen. In Betrieben mit bis zu 50 Personen dürfen maximal vier Dienstnehmer parallel in Bildungsteilzeit arbeiten, in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern liegt der Anteil der Arbeitnehmer in Bildungsteilzeit bei acht Prozent.
Diese Voraussetzungen sind zu erfüllen
Wer als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer eine Bildungskarenz in Anspruch nehmen will, muss den Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld erfüllen. Das Arbeitsverhältnis muss direkt vor dem Beginn der Bildungsmaßnahme seit mindestens sechs Monaten ununterbrochen und beim gleichen Arbeitgeber bestehen. Sonderregelungen geltend für Saisonkräfte, die regelmäßig in einem kürzeren Beschäftigungsverhältnis stehen. Sie müssen lediglich eine Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Monaten nachweisen. Die Beschäftigung muss aber innerhalb der letzten vier Jahre mindestens sechs Monate beim gleichen Dienstgeber ausmachen.
Auch an die Bildungsmaßnahme selbst sind bestimmte Voraussetzungen gekoppelt. Sie muss pro Woche mindestens 20 Stunden umfassen. Wenn Betreuungspflichten für ein Kind gegeben sind, das das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss die Bildungsveranstaltung mindestens 16 Stunden in der Woche ausmachen. Lern- und Übungsphasen können bei entsprechendem Nachweis auf das erforderliche Stundenmaß angerechnet werden.
Sofern es sich bei der Bildungsmaßnahme um ein Studium handelt, muss nach dem Ende jedes Semesters ein Nachweis über die Teilnahme an den Prüfungen in den Pflicht- und Wahlfächern erbracht werden. Der Gesamtumfang muss vier Semesterwochenstunden oder 8 ECTS-Punkte betragen. Die Teilnahme an einer Diplomprüfung, an einem Rigorosum oder der nachgewiesene Fortschritt einer Diplom- oder Abschlussarbeit ist mit diesem Beleg gleichzusetzen.
An den Inhalt der Weiterbildungsmaßnahme sind keine besonderen Voraussetzungen geknüpft, solange der zeitliche Umfang eingehalten ist. Ob man sich also für ein Studium zur Erweiterung der beruflichen Qualifikation entscheidet, ob man einen Sportkurs für den Ausbau der körperlichen Leistungsfähigkeit wählt, ob man professionelle Entspannungstechniken erlernt oder ob man sich ein zweites berufliches Standbein mit einer Weiterbildung aufbaut, bleibt dem Dienstnehmer überlassen.
So beantragt man Bildungskarenz
Wird eine Bildungskarenz mit dem Arbeitgeber ausgehandelt, wird darüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer geschlossen. Im Internet stehen dazu diverse Formulare als Download zur Verfügung. Wer ein solches Formular verwendet, stellt sicher, dass alle nötigen und wichtigen Informationen und Vereinbarungen dokumentiert sind. Deshalb sind diese Anträge einer eigenen Formulierung in der Regel vorzuziehen.
Wer während der Bildungskarenz Weiterbildungsgeld beziehen will, muss einen zusätzlichen Antrag auf Zahlung des Weiterbildungsgeldes stellen. Dieser Antrag muss spätestens zum Beginn der Karenzphase abgeschlossen sein. Zusätzlich zu diesem Antrag sind ergänzende Dokumente vorzulegen, die den Abschluss der Bildungskarenz mit dem Arbeitgeber belegen. Auch eine Bestätigung über die gewählte Aus- und Weiterbildungsmaßnahme ist erforderlich. In dieser Bestätigung muss die Dauer der Bildungsmaßnahme ausgewiesen sein. Der Antrag auf Zahlung des Weiterbildungsgeldes wird bei der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices im Wohnbezirk des Teilnehmers gestellt. Bei der Beantragung des Weiterbildungsgeldes sollte man darauf achten, alle nötigen Unterlagen fristgerecht vorzulegen, damit die Zahlung pünktlich zum Beginn der Weiterbildungsmaßnahme sichergestellt ist.
So hoch ist der Anspruch auf Weiterbildungsgeld
In der Bildungskarenz erhält der Arbeitnehmer kein Entgelt. Alle Zahlungen des Arbeitgebers ruhen in dieser Phase. Es besteht somit weder ein Anspruch auf Gehaltszahlung noch auf irgendwelche Sonderzahlungen des Arbeitgebers wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
Als Ausgleich und als Ersatz für das Gehalt kann der Arbeitnehmer ein Weiterbildungsgeld beantragen. Das Weiterbildungsgeld entspricht in der Höhe dem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Mindestsatz pro Tag ist auf 14,53 Euro festgelegt. Diese Satz kommt der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gleich. Ein Anspruch auf ein erhöhtes Weiterbildungsgeld besteht auch dann nicht, wenn der Dienstnehmer mehrere Kinder hat oder wenn der Ehepartner nicht erwerbstätig ist.
So unterscheiden sich Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld

Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld. Was ist der Unterschied? (c)Bigstockphoto.com/18484490/infografick
Während einer Bildungskarenz hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Weiterbildungsgeldes als Ersatz für das entfallende Einkommen. Reduziert er seine wöchentliche Arbeitszeit aufgrund einer Weiterbildungsmaßnahme, erhält er ein Bildungsteilzeitgeld. Beide Zahlungen sind streng voneinander abzugrenzen und dürfen nicht verwechselt werden.
Das Weiterbildungsgeld wird im Gesamtzeitraum von vier Jahren für maximal 12 Monate gezahlt. Bei einem Mindesttagessatz von 14,53 Euro beträgt das Weiterbildungsgeld somit etwa 435 Euro monatlich. Sofern der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld über diesem Satz liegt, wird natürlich die höhere Summe gezahlt.
Das Bildungsteilzeitgeld liegt pro Tag bei 0,79 Euro für jede Arbeitsstunde, um die die wöchentliche Regelarbeitszeit verringert wird. Wer also seine Arbeitszeit um zehn Stunden reduziert, hat pro Tag einen Anspruch auf Zahlung von 7,90 Euro. Wer seine Arbeitszeit um 50 Prozent oder 20 Stunden verringert, kann in einem Kalendermonat mit 30 Tagen mit einem Zuschuss von 474 Euro im Monat rechnen. Liegt die Verringerung der Wochenarbeitszeit bei 25 Prozent oder zehn Stunden, würde ein Bildungsteilzeitgeld in Höhe von 237 Euro ausgezahlt. Ein Anspruch auf Bildungsteilzeitgeld besteht im Zeitraum von vier Jahren für vier Monate bis zu höchstens zwei Jahren. Der Zeitraum von zwei Jahren kann an einem Stück genommen werden, er kann aber auch auf Phasen von mindestens vier Monaten aufgeteilt werden.
Letztlich dürfte es von den finanziellen Verhältnissen des Studierenden abhängigen, ob das Weiterbildungsgeld oder das Bildungsteilzeitgeld die bessere Variante ist. Wer bereits eine eigenen Hausstand gegründet hat oder sogar eine Familie ernähren muss, dürfte durch das vergleichsweise geringe Weiterbildungsgeld zu einer Reduzierung des gewohnten Lebensstandards gezwungen sein. Aus finanziellen Gründen ist einer Bildungsteilzeit in der Regel vermutlich der Vorzug zu geben. Eine pauschale Empfehlung ist allerdings nicht seriös zu geben. Deshalb kommt es immer auf die individuelle Situation des Studierenden an, welche Variante unter finanziellen Gesichtspunkten optimal geeignet ist.
Innerhalb der vier Jahre besteht auch die Möglichkeit, das Weiterbildungsgeld mit dem Bildungsteilzeitgeld zu kombinieren. Beim gleichen Dienstgeber ist einmalig ein Wechsel vom Weiterbildungsgeld zum Bildungsteilzeitgeld oder umgekehrt erlaubt. Ein Wechsel auf eine komplette Freistellung unter Fortfall der Bezüge ist beim gleichen Arbeitgeber dagegen nicht möglich. Umgekehrt kann aber einmal von einer Freistellung ohne Zahlung des Einkommens auf eine Bildungskarenz oder eine Bildungsteilzeit gewechselt werden.
Der Betrachtungszeitraum gilt ab dem ersten Tag des Bezugs von Weiterbildungsgeld oder von Bildungsteilzeitgeld. Innerhalb dieses Zeitraums kann wahlweise für 12 Monate Weiterbildungsgeld oder für 24 Monate Bildungsteilzeitgeld beantragt werden. Kombiniert man beide Leistungen, sind beispielsweise Varianten möglich wie die Zahlung des Weiterbildungsgeldes für sechs Monate und des Bildungsteilzeitgeldes für ein Jahr oder wie der Bezug von Bildungsteilzeitgeld für sechs Monate und von Weiterbildungsgeld für neun Monate.
Diese Regeln gelten für die Pensionsermittlung
Während der Phase der Bildungskarenz ist man pensionsversichert. Das heißt, die Einzahlungen in die spätere Pension laufen unverändert weiter. Somit erhält der Empfänger des Weiterbildungsgeldes zwar keine Bezüge von seinem Arbeitgeber, sondern lediglich die Ersatzleistung in Form des Weiterbildungsgeldes. Trotzdem entstehen ihm keine Nachteile für die spätere Rente, weil die Rentenbeiträge nach wie vor weiter eingezahlt werden. Maßgeblich für die Höhe der Rentenbeiträge sind die Zahlungen, die schon dem Beginn der Bildungskarenz geleistet wurden.
Alle Sozialversicherungen laufen weiter
Die Unfall- und die Krankenversicherung werden während der Bildungskarenz fortgeführt. Für die Krankenversicherung ist die Gebietskrankenkasse am Wohnort des Versicherten zuständig. Der Sozialversicherungsschutz bleibt also in der Phase des Bezugs unverändert bestehen. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach den Beiträgen, die kurz vor dem Beginn der Bezugsphase eingezahlt wurden. Diese laufen in voller Höhe weiter, so dass dem Empfänger keine Nachteile bezüglich des Sozialversicherungsschutzes entstehen. Dies ist besonders wichtig, wenn es um die Absicherung im Krankheitsfall geht. Im Bezugszeitraum des Weiterbildungsgeldes genießt der Versicherte folglich den unveränderten Versicherungsschutz seiner Krankenkasse, wenn Krankheiten zu behandeln sind oder wenn der Besuch beim Arzt oder im Krankenhaus ansteht.
Kein Anspruch auf Bildungskarenz
Aus juristischer Sicht hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Zustimmung des Arbeitgebers zur Bildungskarenz. Es handelt sich somit um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Er kann dem Antrag auf Bildungskarenz zustimmen, kann diesen aber auch ablehnen. Ein häufiger Grund für eine Ablehnung sind mangelnde Kapazitäten im Unternehmen. Wenn ein Arbeitnehmer eingearbeitet ist und eine zentrale Rolle in den betrieblichen Abläufen einnimmt und somit nicht kurzfristig zu ersetzen ist, muss er mit einer Ablehnung seines Gesuchs rechnen. Somit besteht auch keine Möglichkeit, sich die Zustimmung des Arbeitgebers vor Gericht einzuklagen. Da die Zustimmung des Dienstgebers erforderlich ist, darf der Dienstnehmer auch nicht ohne dessen Einverständnis in Bildungskarenz gehen. Er begeht dann eine Pflichtverletzung gegenüber seinem Arbeitgeber, die im schlimmsten Fall zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen kann.
Selbständige haben keinen Anspruch auf Bildungskarenz
Das Instrument der Bildungskarenz wurde für Arbeitnehmer geschaffen, die sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus für eine Fortbildung von ihrer Arbeit befreien lassen wollen. Für Selbständige gilt dieses Recht nicht, sie haben somit keinen Anspruch auf die Gewährung einer Bildungskarenz und auf die Zahlung von Weiterbildungsgeld.
Anders verhält es sich mit den sogenannten freien Dienstnehmern. Ein freier Dienstnehmer unterliegt den juristischen Vorgaben für eine unselbständige Erwerbstätigkeit. Lediglich in steuerlicher Hinsicht sind einige Aspekte der Selbständigkeit gegeben. Wer also in einer Tätigkeit als freier Dienstnehmer arbeitet, kann Bildungskarenz beantragen und ein Weiterbildungsgeld nach den Maßgaben für Arbeitnehmer beziehen.
Diese Rechte und Pflichten bleiben unverändert
Während der Bildungskarenz ruhen die Hauptpflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat kein Gehalt zu zahlen, der Arbeitnehmer ist von seiner Verpflichtung entbunden, die Arbeitsleistung zu erbringen. Trotzdem laufen einige Nebenpflichten weiter, sie betreffen beispielsweise die Zahlung der Beiträge für die Sozialversicherung und für die Rentenversicherung. Der Kündigungsschutz greift während der Bildungskarenz ebenso nicht. Wegen einer beabsichtigten oder einer tatsächlich laufenden Bildungskarenz darf dem Arbeitnehmer aber nicht gekündigt werden. Sollte der Arbeitgeber während der Phase der Bildungskarenz eine Kündigung aussprechen und kann der Arbeitnehmer im Anfechtungsverfahren dem Gericht glaubhaft machen, dass das Arbeitsverhältnis wegen der Beantragung der Bildungskarenz beendet wurde, wird das Gericht feststellen, dass das Dienstverhältnis unverändert fortbesteht. Daraus resultieren in der Regel erhebliche finanzielle Forderungen des Dienstnehmers. Somit hat der Arbeitnehmer letztlich des Status eines offiziell angestellten Mitarbeiters.
Diese Vorteile hat der Arbeitgeber
Für den Arbeitgeber fallen in der Bildungskarenz keine Kosten an. Er hat weder das Gehalt des Arbeitnehmers zu zahlen, noch trägt er die Beiträge für die Sozialversicherung. Das Weiterbildungsgeld ist eine staatliche Leistung, die unabhängig vom Arbeitgeber gezahlt wird. Somit ist eine Bildungskarenz für den Arbeitgeber unter Kostengesichtspunkten sogar vorteilhaft, denn für den Zeitraum der Bildungskarenz reduzieren sich seine Personalkosten. Wenn es die betrieblichen Belange erfordern, kann der Mitarbeiter in Bildungskarenz ersetzt werden. Der Arbeitgeber kann dann zeitlich befristet einen neuen Arbeitnehmer einstellen und bietet dadurch vielleicht sogar einem bisher Arbeitslosen einen befristeten Arbeitsplatz an.
Quellen und weiterführende Infos:
http://www.ams.at/_docs/001_infoblatt_bildungskarenz.pdf
http://derstandard.at/2000056376884/Bildungskarenz-ist-jung-weiblich-und-wienerisch
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