
Der EURIBOR: So beeinflusst er die Zinsen
Er hat nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Kredit- und Sparzinsen: Der EURIBOR ist der Zins, zu dem sich die europäischen Banken untereinander Geld leihen können. Das ist zum Beispiel notwendig, um die Nachfrage der Verbraucher nach Krediten zu befriedigen. EURIBOR bedeutet eigentlich „Euro Interbank Offered Rate“, er wird in Angaben von drei Monaten, sechs Monaten und längeren Zeiträumen berechnet. Der Referenzzins wird jeden Tag neu ermittelt und ist besonders häufig als Referenz für variable Zinsen gesetzt. Was also muss man zu dieser wichtigen Referenz wissen, die so erheblichen Einfluss auf die Kreditzinsen und auf die Guthabenverzinsung in Österreich hat?

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Wer legt den EURIBOR fest?
Wenn der EURIBOR von nahezu allen großen und wichtigen Banken als Referenz für die Vergabe von Krediten untereinander genommen wird und wenn er ausschlaggebend ist für die Festlegung der variablen Zinsen, stellt sich die Frage, wer ihn eigentlich bestimmt. Verantwortlich dafür ist die Europäische Zentralbank, sie legt ihn in Abstimmung mit mehreren anderen Banken fest. Der EURIBOR wird auch als Leitzins bezeichnet und ist damit eines der wichtigsten Finanzinstrumente, das die Europäische Zentralbank zur Ausübung ihrer Aufgaben hat. Der Leitzins steht nicht nur für die Kosten, die eine Bank an eine andere zu zahlen hat, wenn sie sich bei ihr Geld ausleiht. Er gibt im Gegenzug auch die Rendite an, die eine Bank durch die Vergabe von Krediten erwirtschaftet. Hinzu kommt, dass der Leitzins vor allem für die Vergabe von Krediten an private Verbraucher ausschlaggebend ist.
Die weltweiten Leitzinsen im Überblick
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Zinssätze zur Verfügung gestellt von Investing.com Deutschland. |
Wie wirkt sich der EURIBOR in der Praxis aus?
Ein anschauliches Beispiel mag verdeutlichen, wie der Leitzins wirkt. Nimmt man einmal an, dass die Inflation – also die Teuerungsrate – in einem Währungsraum wie der Europäischen Union eher gering ist. Die Preise steigen dann nur leicht, was den Verbraucher eigentlich freuen sollte. Allerdings heißt das, dass eine Deflation drohen könnte, bei der die Wirtschaft in einen Stillstand gerät. Die Europäische Zentralbank – kurz als EZB bezeichnet – legt in einer solchen Phase fest, dass der Leitzins immer weiter gesenkt wird, um die Wirtschaft wieder zu fördern. So ist es vor einigen Jahren im Euroraum geschehen. Der Leitzins wurde durch die EZB immer weiter abgesenkt. Für die Geschäftsbanken wurde es dadurch attraktiver, sich untereinander oder von der EZB Geld zu leihen. Dadurch konnten sie Kredite zu günstigen Zinsen an private Verbraucher und an Unternehmer vergeben. Diese kaufen mit dem ausgeliehenen Geld Verbrauchs- und Investitionsgüter, um damit die Wirtschaft wieder anzukurbeln. In der Folge steigen die Preise, und mit den Preisen geht die Inflation in die Höhe. Die Gefahr einer Deflation ist dadurch zunächst gebannt. Natürlich wirkt dieser Mechanismus auch entgegengesetzt, wenn die Inflation zu hoch ist. Durch die Anhebung des Leitzinses wird die Vergabe von Krediten reduziert. Auch diese Situation gab innerhalb der EU schon, wobei dieser Zeitraum rund zehn Jahre zurück liegt.
Wie wirkt sich der EURIBOR auf private Kredite aus?
Die Banken orientieren sich bei der Vergabe von Finanzierungen an private Verbraucher und an Unternehmen sehr stark am Leitzins. Als Anhaltspunkt gilt, dass ein Aufschlag in Höhe von 0,5 Prozent bis zwei Prozent auf den EURIBOR völlig normal ist. Der Kreditzins liegt also immer etwas über dem EURIBOR. Das ist nicht nur bei den Banken in Österreich der Fall, sondern auch in Deutschland und in vielen anderen Ländern der Europäischen Union. Deutlich wird die Bedeutung des EURIBOR für den privaten Kunden, wenn man sich die Zinsen für Ratenkredite und für Darlehen in den letzten Jahren ansieht. Seit der Finanz- und Bankenkrise der Jahr 2008 und 2009 ist der EURIBOR mit einem leichten zeitlichen Verzug nahezu kontinuierlich gesunken. Im gleichen Zeitraum sind auch die Zinsen für kurz- und langfristige Finanzierungen stetig nach unten gegangen. Wer heute einen Kredit oder ein Darlehen aufnimmt, zahlt dafür Zinsen in einer Höhe, die noch vor etwa zehn Jahren schlicht undenkbar waren. Für den privaten Kreditnehmer und für Unternehmen wirkt sich also die Höhe des EURIBORs unmittelbar auf die Höhe der Kreditzinsen aus. Doch das ist nicht die einzige Konsequenz, die der niedrige Leitzins nach sich zieht.
Warum sollten Anleger den Leitzins im Auge behalten?
Für private und institutionelle Investoren führt der EURIBOR zu Folgen, die denjenigen eines Kreditnehmers schlicht entgegengesetzt sind. Ist der EURIBOR niedrig, gewähren die Banken für Geldanlageprodukte ihrerseits geringe Zinsen. So positiv ein niedriger Leitzins also für Kreditnehmer ist, so nachteilig ist er für Investoren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man im großen Stil oder in einem überschaubaren Umfang investiert. Deutlich wird das zum Beispiel an den Zinsen für Tages- und Festgelder. Heute bekommt man selbst bei hohen Beträgen auf dem Tagesgeldkonto oder bei langer Laufzeit auf dem Festgeldkonto kaum noch einen nennenswerten Zins. Institutionelle Anleger wie Versicherungsunternehmen oder Banken, die mit sehr hohen Beträgen investieren müssen, erhalten ebenfalls nur noch einen marginalen Zins. Was bleibt, ist der Wechsel zu anderen Geldanlageklassen wie zum Beispiel Fonds oder zu Investments mit einer leicht spekulativen Ausprägung und einem entsprechend hohen Risiko. Ein niedriger EURIBOR hat also durchaus seine Nachteile, wenn man den Blickwinkel verändert.
Was hat es mit dem negativen Leitzins auf sich?
Verfolgt man die Entwicklung des EURIBOR aufmerksam, fiel im April 2015 ein bemerkenswerter Einschnitt auf: Ende des Monats wurde der EURIBOR zum ersten Mal negativ. Zu diesem Zeitpunkt wurden Kredite noch einmal deutlich günstiger. Verursacht wurde dieser Trend durch die Europäische Zentralbank mit den Notenbanken, die immer weiter günstiges Geld auf den Markt brachten. Zum damaligen Zeitpunkt haben Verbraucherschützer den Kreditnehmern in Österreich geraten, sich die aktuell sehr günstigen Zinsen über einen längeren Zeitraum mit Hilfe einer Zinsbindung zu sichern, sofern sie einen variablen Zins bei ihrer Bank abgeschlossen hatten. Im Prinzip könnte ein negativer EURIBOR sogar dazu führen, dass Kredite ganz und gar ohne Zinsen vergeben werden. In der einen oder anderen Werbung hört man dann auch von einer Null-Zins-Finanzierung. Trotzdem halten die meisten Banken daran fest, Kredite gegen einen geringen Zins zu vergeben und haben in ihren Verträgen mit den Verbrauchern entsprechende Klauseln verankert.
Fazit: Der Leitzins ist die wichtigste Stellschraube für Kreditzinsen
Wer in absehbarer Zeit einen Kredit aufnehmen will, sollte den EURIBOR im Auge behalten. Zwar gehen Experten nicht davon aus, dass er in den nächsten Jahren stark steigt und dass sich Finanzierungen entsprechend sehr verteuern. Trotzdem ist man als Kreditnehmer und als Anleger gut beraten, wenn man die Entwicklung im Auge behält, selbst wenn ein niedriger Leitzins zwar für Kreditnehmer von Vorteil ist, aber für Anleger durchaus Nachteile birgt. Wer den Trend kennt, kann rechtzeitig handeln, bevor sich die Kosten für Kredite wieder verteuern.
Quellen und weiterführende Infos:
EURIBOR Werte: https://de.euribor-rates.eu/
Infos auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Euro_Interbank_Offered_Rate
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