
Wenn in der Familie ein Pflegefall droht, sind die Angehörigen häufig erst einmal überfordert. Man weiß nicht, welche staatlichen Leistungen es gibt und wie man sie beantragt. Oft hat man bisher nur am Rande mit Pflegestufen zu tun und keine Vorstellung, wie sie definiert sind. Um im Fall des Falles etwas ruhiger an das Thema herangehen zu können, lohnt es sich, die wichtigsten Vorgaben und Regelungen zu kennen. Wenn dann akuter Handlungsbedarf besteht, findet man sich in den vielfältigen gesetzlichen Vorgaben besser zurecht und weiß schneller, wie man das Problem sinnvoll angeht.
Was versteht man unter dem Pflegegeld?
Kranke, behinderte oder alte Menschen benötigen häufig eine besondere Betreuung, um ihre Gesundheit zu erhalten und um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Man spricht in diesem Fall auch von Pflege. Diese Pflege kann durch Angehörige geleistet werden, man kann aber auch einen ambulanten Pflegedienst damit beauftragen. In schweren Fällen ist eine stationäre Pflege vielleicht die einzige sinnvolle Alternative. Doch Pflege kostet sehr viel Geld, deshalb zahlt der Staat einen Zuschuss zu den Pflegekosten. Dieser Zuschuss wird als Pflegegeld bezeichnet. Das Pflegegeld reicht nicht aus, um davon die gesamten Kosten zu zahlen. Dennoch ist es ein regelmäßiger Betrag, den man jeden Monat erhält. Mit dem Pflegegeld soll es den Betroffenen ermöglicht werden, die Versorgung an den individuellen Bedürfnissen auszurichten und zu organisieren. Die juristischen Grundlagen für das Pflegegeld sind im Bundespflegegeldgesetz und in den entsprechenden Gesetzen der Bundesländer geregelt. Sie gelten seit 01. Juli 1993 und führten zu einigen gravierenden Änderungen in der Pflegevorsorge in Österreich. Im Jahr 2012 wurde das Pflegegeldreformgesetz eingeführt, es brachte neben einigen Änderungen auch die Übertragung der Gesetzgebungs- und Ausübungskompetenz von den einzelnen Bundesländern auf den Bund mit sich.

Pflege und sozialer Kontakt erhöht die Lebensqualität (c)Bigstockphoto.com/182606092/Rustle
Welche Pflegestufen gibt es?
Die Höhe des Pflegegeldes hängt vom Pflegebedarf ab. Insgesamt gibt es sieben Pflegestufen. Auf jeden Fall ist ein Pflegebedarf in Höhe von mindestens 65 Stunden monatlich erforderlich, um überhaupt Pflegegeld beanspruchen zu können. Die Menge der Stunden für den monatlichen Pflegebedarf wird von einem Arzt oder von einer Pflegefachkraft im Rahmen einer Begutachtung ermittelt.
Die Pflegestufe 1 wird vergeben, wenn der Pflegebedarf über 65 Stunden im Monat beträgt. Sofern er höher ist als 95 Stunden, liegt Pflegestufe 2 vor. Pflegestufe 3 erfordert einen Bedarf von über 120 Stunden monatlich. Wer mehr als 160 Stunden im Monat an Pflege benötigt, fällt unter Pflegestufe 4. In die Pflegestufe 5 gehören alle Menschen, die über 180 Stunden monatlich betreut werden müssen und die einen besonders hohen Betreuungsaufwand haben. Unter die Stufe 6 fallen Pflegebedürftige, die auch in der Nacht Hilfe benötigen und die eine ständige Anwesenheit eines Pflegers erfordern, weil sonst eine erhöhte Gefahr einer Eigen- oder Fremdgefährdung besteht. Die höchste Pflegestufe 7 liegt vor, wenn eine zielgerichtete Bewegung von Armen und Beinen nicht mehr möglich ist und wenn der Pflegebedarf über 180 Stunden im Monat beträgt.
Die 7 Pflegestufen
Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach der festgestellten Pflegestufe. (Angaben: 10/2017)
- In der Pflegestufe 1 umfasst der Betreuungsaufwand über 65 Stunden im Monat, der Betrag liegt bei 157,30 Euro monatlich.
- In Stufe 2 beträgt die Betreuung über 95 Stunden, die Zuwendungen machen 290 Euro aus.
- Pflegestufe 3 besteht, wenn die Betreuung über 120 Stunden beträgt, der Zuschuss liegt dann bei 451,80 Euro.
- In der Pflegestufe 4 müssen 160 Stunden Aufwand nachgewiesen werden, der Satz beträgt pro Monat 677,60 Euro.
- In Pflegestufe 5 werden 920,30 Euro gezahlt, der Aufwand pro Monat überschreitet dann 180 Stunden, die Betreuung ist rund um die Uhr kurzfristig sicherzustellen.
- Stufe 6 fordert eine Betreuung von mindestens 180 Stunden, wenn die Betreuung zeitlich nicht mehr zu koordinieren ist und wenn sie Tag und Nacht erfolgen muss, weil eine Gefährdung des Pflegefalls oder Anwesender möglich ist. Die Erstattung liegt bei 1.285,20 Euro.
- In der höchsten Stufe 7 beträgt sie über 180 Stunden, die vier Extremitäten dürfen dann nicht mehr zielgerichtet zu bewegen sein. Der monatliche Zuschuss macht 1.688,90 Euro aus. Mit der Einteilung des Pflegebedarfs in sieben Stufen sollten körperlich und geistig Behinderte ebenso abzudecken sein wie alte oder kranke Menschen unterschiedlichen Alters.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Um Pflegegeld beantragen zu können, muss ein ständiger Bedarf an Pflege gegeben sein. Die Ursache dafür kann eine körperliche Behinderung, eine geistige Behinderung oder eine seelische Behinderung sein. Auch eine Sinnesbehinderung gehört dazu. Der Bedarf muss für einen Zeitraum von voraussichtlich sechs Monaten bestehen. Außerdem muss er einen zeitlichen Aufwand von 65 Stunden im Monat überschreiten. Wer in Österreich Pflegegeld beziehen will, muss in Österreich leben. Nur unter genau vorgegebenen Voraussetzungen kann das Pflegegeld auch in ein anderes europäisches Land gezahlt werden. Nach dem Bundespflegegeldgesetz besteht ein Pflegebedarf, wenn bei Betreuungsmaßnahmen oder bei Hilfsverrichtungen zusätzliche Unterstützung durch eine weitere Person erforderlich ist. Betreuungsmaßnahmen umfassen alles, was den persönlichen Bereich betrifft. Dazu gehören zum Beispiel Kochen, An- und Auskleiden, Körperpflege, Essen, die Einnahme von Medikamenten oder die Fortbewegung innerhalb der eigenen Wohnung. Zu den Hilfsverrichtungen zählen Tätigkeiten, die den eigentlichen Lebensbereich umfassen.
Wie beantragt man Pflegegeld?
Der Antrag für das Pflegegeld kann formlos vorgelegt werden. Wenn er an eine Stelle gerichtet wurde, die nicht dafür zuständig ist, hat diese die Pflicht, den Antrag an den jeweils zuständigen Träger weiterzureichen. Ärztliche Atteste oder Befunde des Krankenhauses sind in der Regel erforderlich. Sie sollten dem Antrag unbedingt beigefügt werden, damit man den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten beweisen kann.
Wer Pflegegeld beantragen will, erhält nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Entscheidungsträger ein Formular zugeschickt. Darin ist anzugeben, welche Tätigkeiten der Betroffene nicht mehr selbst ausführen kann. Ebenfalls ist auszuführen, ob schon eine Leistung wegen Pflege in Anspruch genommen wird. Das Formblatt ist dann unterschrieben an den Entscheidungsträger zu schicken.

Ohne Pflegegeld würde eine angemessene Betreuung oftmals nicht möglich sein (c)Bigstockphoto.com/192032035/Southtownboy
Die Zuständigkeit für die Beantragung ist unterschiedlich geregelt. Bezieher von Renten oder Pensionen legen den Antrag bei ihrem verantwortlichen Versicherungsträger vor. Das ist die Stelle, die die Auszahlung der Rente übernimmt. Wird eine Vollrente aus einer Unfallversicherung gewährt, ist der Träger der Unfallversicherung der Ansprechpartner. Bei Pensionären des ASVG, bei Beziehern von Kriegsopferversorgungsrenten, von Heeresentschädigungen oder Entschädigungen nach dem Impfschadengesetz ist die Pensionsversicherungsanstalt zuständig. Pensionisten des Bundes, Bezieher von Beamtenruhe- oder Versorgungsgenuss, von Beamtenpensionen des Bundeslandes oder der Gemeinde, Bedienstete der Post, der Telekom und des Postbusses mit unkündbarem Arbeitsvertrag und Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs wenden sich an den Pensionsservice der BVA. Berufstätige, ihre mitversicherten Angehörigen und die Bezieher einer Mindestsicherung oder eines Rehabilitationsgeldes sprechen zur Beantragung die Pensionsversicherungsanstalt an.
Sofern man nicht weiß, welcher Entscheidungsträger zuständig ist, wendet sich an den Service des Sozialministeriums für Bürger. Die Servicemitarbeiter sind der erste Ansprechpartner bei Fragen rund um das Pflegegeld.
Wer legt den Pflegebedarf fest?
So wird der Pflegebedarf beurteilt
Um den Pflegebedarf zu ermitteln, werden insgesamt fünf Hilfsverrichtungen betrachtet. Dazu gehören das Beschaffen von Lebensmitteln, von Medikamenten und von Gütern für den täglichen Bedarf, die Reinigung der Wohnung und aller Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, die Pflege der Wäsche einschließlich der Bettwäsche, die Beheizung der Wohnung und der Besorgung des Heizmaterials und die Mobilitätshilfe. Sie umfasst auch die Begleitung bei Arztbesuchen oder bei Amtswegen. Um den Pflegebedarf zu beurteilen, werden zeitliche Wert für die Betreuungsmaßnahmen und für die Hilfsverrichtungen angesetzt, sie ergeben eine Gesamtbeurteilung. Für bestimmte Personengruppen kommt ein Erschwerniszuschlag zur Anwendung, er soll den Mehraufwand rechtfertigen, der für pflegeerschwerende Faktoren gilt. Ein Erschwerniszuschlag wird bei Menschen mit schweren geistigen oder psychischen Behinderungen und Demenz ab dem 15. Lebensjahr gewährt. Er hat einen Umfang von 25 Stunden im Monat. Ein pflegeerschwerender Umstand besteht, wenn sich ein Defizit bei der Orientierung, beim Antrieb, beim Denken, bei der planerischen und der praktischen Umsetzung von Vorhaben, beim sozialen Benehmen oder bei der emotionalen Kontrolle zeigt, der in der Summe auf eine schwere Verhaltensstörung schließen lässt. Für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche kann ein pauschaler Erschwerniszuschlag angesetzt werden, wenn aufgrund der Behinderung zwei voneinander unabhängige Funktionsstörungen mit erheblichem Ausmaß festgestellt werden. Der Erschwerniszuschlag liegt bis zum vollendeten siebten Lebensjahr bei 50 Stunden im Monat. Danach macht er bis zum 15. Geburtstag 75 Stunden monatlich aus.

Pflege hat eine starke soziale Komponente (c)Bigstockphoto.com/193441756/sewcream
So ist der weitgehend gleichartige Pflegebedarf geregelt
Für bestimmte Gruppen von Behinderten ist eine feste Zuordnung zu einer Pflegestufe möglich, wenn sie einen weitgehend gleichartigen Pflegebedarf nachweisen. Zu diesen Gruppen gehören stark Sehbehinderte, Blinde und Taubblinde, Personen über 14 Jahren, wenn sie zur eigenständigen Lebensführung auf den selbständigen Gebrauch eines Rollstuhls benötigen. Der Pflegebedarf wird durch den Hausbesuch eines Arztes oder durch eine diplomierte Pflegefachkraft festgelegt. Die Angehörigen dürfen bei diesem Besuch anwesend sein.
So läuft die Begutachtung ab
Nach der Beantragung ist ein Besuch durch einen Arzt oder eine Pflegefachkraft unumgänglich. Hier wird der Pflegebedarf genau ermittelt. Der Sachverständige will wissen, wie umfassend der Hilfsbedarf ist. Dazu befragt er den Hilfsbedürftigen und seinen Angehörigen oder die pflegende Person. Im Gutachten sind alle Ergebnisse dokumentiert. Die Entscheidung, welche Pflegestufe am Ende zugeteilt wird, trifft die Behörde, ein Jurist oder ein Richter. Auf Wunsch kann bei der ärztlichen Untersuchung eine Vertrauensperson anwesend sein. Das kann beispielsweise ein Pfleger sein, der die Betreuung bereits übernimmt. Er kann insbesondere zuverlässige Informationen zum Pflegebedarf geben. Die Entscheidung des Versorgungsträgers wird dem Antragssteller durch einen Bescheid mitgeteilt. Darin steht, ob eine Pflegestufe vorliegt und in welcher Höhe Pflegegeld gewährt wird. Der Pflegebedürftige erhält dann rückwirkend ab dem Monat, der auf die Antragstellung folgt, ein Pflegegeld.
So wehrt man sich gegen falsche Bescheide
Wenn der Betroffene oder die Angehörigen mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind, kann man dagegen Klage erheben. Damit wird der Bescheid nochmals überprüft. Die Klage wird beim Arbeits- und Sozialgericht Wien, beim Landesgericht, beim Bezirksgericht oder beim Entscheidungsträger erhoben. Sie wird in zweifacher Form schriftlich vorgelegt. Alternativ wird sie beim zuständigen Gericht mündlich vorgetragen und zu Protokoll gegeben. Für die Klageerhebung ist eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids festgelegt. In der Klage muss die Darstellung des Falls enthalten sein. Die geltend gemachten Beweismittel wie ärztliche Gutachten sind beizufügen. Außerdem ist auf das eigentliche Begehren hinzuweisen. Es kann beispielsweise in der Feststellung einer bestimmten Pflegestufe und der Zahlung des entsprechenden Pflegegeldes bestehen. Der angefochtene Bescheid ist mindestens als Kopie hinzuzufügen. Bei fristgerechter Vorlage wird der Bescheid zunächst nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen und unter Umständen ein neues Gutachten von einem vereidigten ärztlichen Sachverständigen einzuholen. Vor dem Sozialgericht besteht kein Vertretungszwang, deshalb können die Angehörigen den Rechtsstreit selbst führen. Zur Vertretung sind geeignete Personen des Vertrauens wie der Ehegatte, die volljährigen Kinder, die Eltern, Funktionäre, Arbeitnehmer eines Behindertenverbandes oder einer gesetzlichen Interessenvertretung oder Rechtsanwälte berechtigt. Wenn man mit der Entscheidung des Arbeits- oder Sozialgerichts nicht einverstanden ist, kann die nächste Instanz angerufen werden. Das Oberlandesgericht prüft dann den Bescheid erneut, hier besteht ein Vertretungszwang durch qualifizierte Personen. Ein Urteil des Oberlandesgerichts kann durch den Obersten Gerichtshof überprüft werden.
Was ist ein Erhöhungsantrag?
Ein Erhöhungsantrag ist nötig, wenn sich der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen in der letzten Zeit seit der Erteilung des aktuellen Bescheids so stark verschlechtert hat, dass nach der Einschätzung der Betroffenen ein höheres Pflegegeld zu zahlen ist. Der Erhöhungsantrag wird formlos beim jeweiligen Entscheidungsträger gestellt. Sofern die letzte Entscheidung noch nicht 12 Monate zurückliegt, sollte die Verschlechterung des Zustands durch ein ärztliches Attest bewiesen werden. Wird der Erhöhungsantrag abgelehnt, kann man dagegen ebenso Widerspruch einlegen wie gegen den ersten Bescheid.
Quellen und weiterführende Infos:
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/36/Seite.360510.html
(c) Bilder:
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